So unterstützen Sie sehbehinderte oder blinde Mitmenschen im Alltag: Soll ich helfen – oder nicht?

Am 15. Oktober 2020 ist der Internationale Tag des Weissen Stocks, an dem Blindenverbände weltweit die Öffentlichkeit auf die Bedürfnisse von stark sehbehinderten oder blinden Mitmenschen aufmerksam machen. Der Schweizerische Blindenbund hat zu diesem Anlass seine Mitglieder befragt, inwiefern sie von Sehenden im Alltag unterstützt werden möchten.

Soll ich eine Person mit einem Blindenstock über die Strasse begleiten? Einer jungen Frau, die im Supermarkt mit einer Lupe die Etiketten studiert, meine Hilfe anbieten? Oder dem älteren Herrn mit dem Blindenhund beim Lösen eines Bus-Tickets unterstützen? Solche oder ähnliche Fragen haben sich sicher die meisten von uns schon gestellt. Eine allgemein gültige Antwort darauf gibt es nicht: «Lieber etwas machen, was eventuell auch falsch sein könnte, als gar nicht helfen», sagt beispielsweise die sehbehinderte Andrea Fankhauser. Während Bruno Hauenstein meint, dass die Menschen manchmal schon fast überbehilflich sind: «Fast wollen sie einen tragen, das ist dann fast schon zu viel». Während also gewisse sehbehinderte Menschen gerne jede Hilfe annehmen, möchten andere so selbstständig wie möglich durch das Leben gehen.

3 x A für das richtige Miteinander

Also was jetzt? Helfen oder nicht? Zum Tag des Weissen Stocks hat der Schweizerische Blindenbund seine Mitglieder befragt, wie das Miteinander von Sehenden und Sehbehinderten ihrer Meinung nach am besten klappt. Der Schweizerische Blindenbund ist eine Selbsthilfeorganisation blinder und sehbehinderten Menschen, die Betroffe sowie deren Angehörige kostenlos berät und unterstützt. Merken Sie sich im Umgang mit sehbeeinträchtigten Mitmenschen also einfach die «3 x A»-Regel.

Erstes A wie AUFMERKSAM

Sei es der weisse Stock, ein Blindenführerhund, eine spezielle Brille oder eine Lupe: All diese Erkennungszeichen weisen darauf hin, dass eine Person sehbehindert ist. Nehmen Sie darauf Rücksicht und erschrecken Sie diese nicht, indem Sie sie beispielsweise schnell von hinten mit dem Velo überholen. Achten Sie zudem darauf, dass Sie nicht auf taktil-visuellen Leitlinien stehen oder diese mit Gegenständen blockieren.

Zweites A wie AKTIV

Wie schon erwähnt, nehmen viele Sehbehinderte sehr gerne Hilfe an, während andere lieber selbstständig agieren. Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob Ihre Unterstützung nötig ist, fragen Sie lieber einmal zu viel als einmal zu wenig nach. Vor allem, da sich viele Sehbehinderte scheuen, von sich aus nach Hilfe zu fragen. «Ich musste mich am Anfang überwinden, jemanden zu fragen, der vorbeigelaufen ist. Das war nicht einfach, das musste ich lernen», meint zum Beispiel Regula Kuster. Und wenn Sie jemanden ansprechen, denken Sie daran: Blinde sind nicht schwerhörig! Sie müssen also nicht extra laut und deutlich sprechen.

Drittes A wie ANSTÄNDIG

Wer Hilfe anbietet, soll auch ein Nein akzeptieren. «Wenn ich dankend ablehne, dann sind die Menschen enttäuscht. Aber ich sollte sagen dürfen, dass ich es selber kann. Das gehört zu meinem Selbstbewusstsein, dass ich das, was ich noch kann, auch selber mache», meint beispielsweise Ruth Zschokke. Seien Sie also nicht gekränkt und lassen Sie sich von einem Nein nicht davon abhalten, bei nächster Gelegenheit wieder Hilfe anzubieten. So verschieden die Bedürfnisse von Sehbehinderten und Blinden nach Unterstützung sind, so einig sind sich alle in einem Punkt: Auch wenn es nur gut gemeint ist – niemand wird gerne ungefragt angefasst, am Arm über die Strasse gezerrt oder aus dem Bus geschubst. Ursula Graf bringt es auf den Punkt: «Grosses Anliegen: zuerst ansprechen, bevor man eine betroffene Person anfasst, stösst oder schubst.»

Gemeinsam nach vorne sehen

Denken auch Sie an den «3 x A»-Merksatz, wenn Sie das nächste Mal einer sehbehinderten Person begegnen – Sie wird es Ihnen danken!

Möchten Sie noch mehr über dieses Thema erfahren, sich über das Engagement des Schweizerischen Blindenbunds informieren oder spenden? Besuchen Sie die Website des Vereins oder rufen Sie an – die rund 40 Mitarbeitenden in den acht Beratungsstellen und der Geschäftsstelle freuen sich auf Ihre Kontaktaufnahme.