Die Marktindex-Autorin Sabine Simmen hat drei kleine Jungs im Alter von 6 Monaten bis 4 Jahren und schreibt hier regelmässig über ihren turbulenten Alltag.

Habt ihr auch kleine Kinder? Und habt ihr euch selbst schon einmal bewusst zugehört, was und in welchem Ton ihr den ganzen Tag zu euren Kindern sagt? Nicht? Dann lasst es! Denn ich habe es getan und das Ergebnis war ziemlich erschreckend. Mein Umfeld würde mich wohl sicher als nett bezeichnen. Witzig. Verständnisvoll. Und vielleicht auch eloquent. Aber all diese Eigenschaften scheine ich täglichen Umgang mit meinen Kindern auf einen Schlag zu verlieren: Ich mutiere Tag für Tag zu einem fiesen, lauten Drill-Sergeant. Einer der nur noch droht, schreit und schimpft. Wollt ihr mal das Repertoire meiner beliebtesten Phrasen hören? Et voilà:

1. Näi / ned (dieses Wort brauche ich eine Million Mal pro Tag und immer mehrmals hintereinander, wobei das Wort bei jeder Wiederholung lauter und interessanterweise auch betonter wird. Als würde ich mit einem Tauben sprechen, der von meinen Lippen lesen muss. Wobei: Gibt es vielleicht sogar eine spezielle Taubheit bei kleinen Kindern, die sie jeweils gewisse Wörter oder Phrasen erst ab der dritten Wiederholung hören lässt? Das würde einiges erklären.)

2. Hör uuf / pass uuf (auch diese Wendung verwende ich fast immer mehrfach hintereinander. Zuhause erhöhe ich dabei regelmässig die Lautstärke. Draussen oder im Beisein anderer Menschen funktioniert die soziale Kontrolle über meinen innere Drill-Sergeant aber doch noch insofern, dass ich nicht schreie. Ich zische. Aber das ist fast schlimmer als schreien, glaubt mir!)

3. Chom ändlech / mach ändlech (meine liebste Wendung vor und nach den Mahlzeiten, bevor wir das Haus verlassen und wenn die Kleinen ins Bett müssen – also eigentlich immer.)

4. Ech chome grad / ech mache grad (diese Wendung ist meine Antwort auf fast jeden Satz meiner Kinder und ist die offiziell anerkannte Kurzform von „Lass-mich-bitte-schnell-in-Ruhe-geh-spielen-oder-mach-irgendwas-anderes-und-vergiss-währenddessen-dass-du-was-von-mir-wolltest-da-ich-gerade-keine-Zeit-habe“.)

5. Los mer bitte zue / tue bitte folge (hier wird es sportlich, denn ab der dritten Wiederholung dieses Satzes mach ich jeweils eine schwungvolle Kniebeuge um auf Augenhöhe mit dem angesprochenen Kind zu sein. Auch die Kleinen machen hier gerne beim Sportprogramm mit und wenden rhythmisch ihren Kopf zur Seite um meinen stechenden Augen auszuweichen oder probieren per schwungvollem Ausfallschritt zu entkommen.)

6. Ned so luut / bes liesliger/Rueh (oft so laut gesagt, dass es nicht mehr eruierbar ist, ob das Baby vom Lärm der Grossen oder meinem Geschrei aufgewacht ist. Die Kunst dabei ist natürlich stets Ersteres zu behaupten.)

7. Wenn du ned sofort chonsch / hörsch / machsch, denn … (dann folgen die schlimmsten Dinge, die sich meine Kinder überhaupt vorstellen können. In meiner kreativen Grausamkeit ist mein Beststeller gerade „spüehle ech der de Nuggi is WC abe“.)

Mit diesen Phrasen, ein paar Füllwörtern und den Namen meiner Söhne dazwischen kann ich den ganzen Tag kommunizieren. Mehr Wortschatz brauche ich nicht. Irgendwie tragisch, oder?

Natürlich sage ich auch zwischendurch einmal Dinge wie „das hesch du super gmacht“. Aber so selten, dass es heuchlerisch wäre, dies auf obiger Liste aufzuführen. Geht es euch auch so? Oder bin ich eine speziell schlechte Mutter? Oder habe ich speziell schlechte Kinder? Ich wage jetzt mal beides zu bestreiten.

Es gehört wohl einfach zum Alltag einer Mutter dazu, viel zu mahnen und zu schimpfen. Es müssen schliesslich Termine und Konventionen eingehalten, Prinzipien durchgesetzt und Höflichkeit und Manieren gelernt werden. Und dies soll ja nicht dazu dienen, meinen Kindern das Leben möglichst schwer zu machen, sondern sie zu guten, anständigen und sozial funktionierenden Menschen zu erziehen. Und das geht halt leider nicht nur mit positiven Feedback und liebreizenden Wendungen.

Ach, ich habe mir schon öfters vorgenommen weniger zu schreien, zu drohen und zu mahnen. Aber irgendwann zwischen lebensgefährlichen Kick-Board-Manövern, lautstarken Trommel-Sessions und stoischer Verweigerung die Schuhe anzuziehen vergesse ich es immer wieder.

Aber jetzt, jetzt will ich es wirklich umsetzen! Mehr eloquent, humorvoll und nett und weniger Drill-Sergeant. Aber jetzt muss ich unbedingt aufhören zu schreiben, denn meine Söhne brauchen dringend ein paar Mal die Nummer 6, gefolgt von einer 2 und je einmal die 5 mit Kniebeuge. Und wenn das alles nichts hilft, muss ich noch die 7 hinten dranhängen.

Vielleicht kommt mir etwas Fieses mit den jeweiligen Lieblingsspielzeugen in den Sinn, mit dem ich drohen könnte. Aber dann hat der Drill-Sergeant Pause und ich fange mit dem nett sein an. Versprochen!