Zero-Waste Bewegung: Zukunftsweisender Trend oder aufwändige Spinnerei?
In Amerika ist der Begriff «Zero-Waste» gerade in aller Munde. Es bedeutet «Null-Abfall» und beschreibt eine Lebensweise, in der durch konsequente Wiederverwertung, kompostierbare Artikel und den Verzicht auf verpackungsintensive Güter so gut wie kein Abfall produziert wird. Was sich in den USA gerade zu einem Hype entwickelt, schwappt langsam auch auf Europa über: So wurde in Berlin gerade der erste Supermarkt eröffnet, der auf Einweg-Verpackungen verzichtet. Aber ist dieser Lifestyle im Alltag überhaupt praktizierbar?
Kompostierbare Zahnbürsten, Menstruationsbecher und selbst gemachte Putzmittel
Im Jahr 2014 hat jeder Schweizer durchschnittlich 694 Kilogramm Abfall verursacht. Der Müll, den die vierköpfigen Familie Johnson aus Kalifornien während eines Jahres produziert, passt hingegen in ein Wasserglas. Klingt utopisch, ist aber wahr: Die Johnsons sind nämlich Pioniere und radikale Verfechter der Zero-Waste Bewegung. Kaum Abfall zu produzieren funktioniert vor allem durch den radikalen Verzicht auf Einwegverpackungen. So kauft die Familie Johnson nur in speziellen, diesem Konzept angepassten Supermärkten ein. Dort bringt jeder Käufer seine Behälter selbst mit und füllt diese im Laden mit den gewünschten Artikeln – vom Zucker, über die Zahnpaste bis hin zu Reis und Teigwaren. Zudem probiert Bea Johnson möglichst viel selbst herzustellen, wie zum Beispiel Putzmittel oder Pflegeprodukte. Doch was ist mit Gebrauchsartikeln? Das Zauberwort lautet hier Wiederverwertung! So putzt sich die Familie Johnson die Zähne mit kompostierbaren Zahnbürsten und statt Tampons verwendet Bea Johnson sogenannte wiederverwendbare Menstruationsbecher.
Das Prinzip: Auf verpackungsintensive Produkte verzichten und konsequent recyclen und wiederverwerten
Was sich im Falle der Familie Johnson teilweise sehr umständlich anhört, sei aber gar nicht so schwierig umzusetzen: Anhänger der Zero-Waste Bewegung managen ihr Leben ohne Abfall anhand fünf simpler Grundregeln: refuse, reduce, reuse, recycle and rot (zu Deutsch etwa: ablehnen, reduzieren, wiederverwerten, recyclen und verrotten). Nur schon durch das partielle Befolgen dieser elementaren Regeln könne sehr viel Abfall reduziert werden. Die wichtigste Grundregel ist dabei „refuse“ und meint, dass man konsequent auf verpackungsintensive Produkte verzichten soll. Um dies praktikabel umzusetzen braucht es jedoch entsprechende Läden, in denen mit eigenen Behältnissen eingekauft werden kann. In New York, in der die Zero-Waste Bewegung eine richtige Philosophie geworden ist, schiessen Zero-Waste-Shops wie Pilze aus dem Boden. Und Berlin hat mit dem kürzlich eröffneten Supermarkt UO (Original Unverpackt) der Schweizerin Sara Wolf mittlerweile auch den ersten Zero-Waste Kauftempel.
Schweizer Detailhändler beurteilen Konzept des Selbstabpacken kritsch
Was in den USA und jetzt neu auch in Berlin gang und gäbe ist, ist in der Schweiz zum grössten Teil noch Zukunftsmusik: Die grossen Schweizer Detailhändler wie Coop und Migros geben sich zwar grosse Mühe, die Verpackungsmengen systematisch zu reduzieren, aber das Einkaufen im eigenen Glas- oder Tupperware-Behältnis ist kein Thema. Denn dies sei gerade bei Fleisch oder Milchprodukten aus hygienischen Gründen bedenklich. Glasgefässe würden zudem wegen Bruchgefahr ein Sicherheitsrisiko darstellen, meinen die führenden Schweizer Detailhändler unisono. In der Schweiz ist es darum derzeit noch ziemlich aufwändig nach der Zero-Waste Philosophie zu leben. Aber schon dieses Jahr plant Sara Wolf ihr Konzept der OU-Supermärkte auch in die Schweiz zu bringen. Und bis dahin kann durch das Befolgen der sehr einfachen Grundregeln des Zero-Waste Prinzips sicher jeder dazu beitragen, die eigenen Müllmenge zumindest zu reduzieren. Denn zwischen 694 Kilo und einem Glas Müll pro Jahr gibt es noch viele Grautöne.