Die Marktindex-Autorin Sabine Simmen hat drei kleine Jungs im Alter von 6 Monaten bis 4 Jahren und schreibt hier regelmässig über ihren turbulenten Alltag.

Ach, ich kann mich noch gut an die Besuche unserer Grosstante Anni erinnern. Zwei bis drei Mal im Jahr hiess es für meine Geschwister und mich stramm stehen, ordentlich salutieren und das ewige in-die-Wange-Zwicken, ohne mit der Wimper zu zucken, über uns ergehen zu lassen. War das geschafft, bekamen wir von Anni immer ein Gschänkli in Form eines gräulich angelaufenen Schöggelis.

Meine Mutter überwachte uns während diesen Besuchen der Grosstante immer streng. Manieren, Anstand und Höflichkeit waren gefragt. Hände mussten geschüttelt und Blicke gehalten werden. Und egal, was passiert, egal, ob dir ein Stück der Backe fehlt oder die Schoggi vor lauter Würmer davonläuft – vergiss nie, nie, nie das Danke! Das streng gezischte „Wie-seit-mer?“ meiner Mutter habe ich noch immer in den Ohren.

Damals fand ich das alles sehr nervig und vollkommen übertrieben. Und jetzt, knapp 30 Jahre später, bin ich die streng zischende Mutter, die verzweifelt versucht ihren drei Höhlenmenschen von Söhnen ein bisschen Höflichkeit und Anstand beizubringen. Sag „Danke“, „Bitte“, „Tschuldigung“ und „Ich hätte gerne“ (und nein, du kriegst jetzt trotzdem kein Glace). Vergiss „Grüezi“, „Ade“ und „En schöne Tag“ nicht. Floskeln, mit denen wir Erwachsen nur so um uns schleudern, müssen den Kleinen fast gewaltsam eingeimpft werden. Dieser ganze K(r)ampf mit diesen elenden Höflichkeitsfloskeln nervt – die Kleinen und mich!

Kürzlich hätte ich fast aufgegeben. Habe mich damit abgefunden, dass meine Söhne auf ewig grunzende Höhlenmenschen bleiben werden. Dann das Schlüsselerlebnis: Mein 5-jähriger Sohn hat im Bus seinen Lieblingssitzplatz ganz vorne ergattert – grosse Freude herrscht! Da steigt eine ältere Dame zu und blafft meinen Sohn an: „Steh auf, ich will hier sitzen!“. Da zischt mein Ältester doch tatsächlich im schönsten Mama-Manier: „Wie-seit-mer?“

Tja, so wie es in das Kinderzimmer zischt, so zischt es halt doch zurück. Und wisst ihr was? Als die Dame erst ziemlich verdutzt, dann leicht amüsiert „Bitte“ gesagt hat, ist mein Sohn tatsächlich aufgestanden und hat ihr den Platz überlassen. Der K(r)ampf ist also doch nicht ganz vergeblich – Ring frei für die nächste Runde!