Interview mit Margrit Windlin

Margrit Windlin die Wirtin aus Altzell (NW), eine Gastgeberin von «altem Schrot und Korn». Sie geht nach 17 Jahren im Café La Swiss, besser bekannt als Doorzögli, die Beiz mit den über die Grenzen hinaus besten Cordon-Bleus, in den wohlverdienten Ruhestand. Margrit ist nicht das Ebenbild einer Mutter Theresa für Luzerner Beizen, sie war die gute Seele für ihre, nicht immer leichte, «Gaschtig». Für sie hatte sie immer ein offenes Ohr und, wenn sie es für nötig erachtete, auch eine Gratismahlzeit. Sie fand für alle schlussendlich immer den richtigen Ton, den sie sich auch in den Luzerner Beizen Fischerstube und Sentimatt angeeignet hatte und für den sie mit der Wahl 2013 zur «Rüüdige Lozärnerin» belohnt wurde.

Nun ist für sie die Zeit da sich zurückzulehnen. Ab und zu die verbleibende Zeit mit ihrem Hund Gismo in einem liebgewonnenen, kleinen griechischen Dorf zu geniessen. Im Doorzögli wird sie als gerngesehener Gast zu sehen sein und wenn Not an der Frau ist, ihrer Nachfolgerin, Tochter Sandra, helfend zur Seite zu stehen.

Margrit Windlin: Du hast dich nach einer langen Zeit im Gastrogewerbe entschlossen Ende Juni deine aktive Zeit im Doorzögli an den berühmten Nagel zu hängen. Hast du genug von deinen Gästen?

So drastisch kann man das nicht sagen, aber wenn die Gesundheit dir immer wieder Streiche spielt, kann es schon sein das man ab und zu etwas grantiger wirkt. Da kann es sein das die Sprüche und die speziellen Gewohnheiten einiger Gäste nicht mehr so an mir abprallen wie das früher der Fall war. Das ist aber sicher nicht der Hauptgrund das Zepter des Doorzöglis in die Hände meiner Tochter Sandra zu legen, denn hier habe ich viel Schönes erleben dürfen. In den vergangenen 17 Jahren habe ich viel Herzblut, Arbeit und fast meine ganze Freizeit in das «La Swiss» investiert. Jetzt ist die Zeit da etwas mehr vom Leben zu verlangen und ich bin glücklich, dass ich die Zeit nach dem «La Swiss» etwas gemächlicher gestalten darf. Die Jahre im Durchzug zu stehen werde ich immer in guter Erinnerung behalten und es wird ab und zu eine «Therapiestunde» im Doorzögli brauchen, um mich an das süsse Nichtstun zu gewöhnen.

Wie bist du in die Gastroszene hineingerutscht?

Meine neun Geschwister und ich sind in Altzellen, einem kleiner Weiler in der Gemeinde Wolfenschiessen, aufgewachsen. Da war die Auswahl an Arbeitsstellen nicht allzu gross. Jedes von uns hat sich damals eine Stelle gesucht, bei der es keine Lehre brauchte. Da bot sich eine Arbeit im Gastgewerbe geradezu an. Zuerst hat man in einer Küche begonnen, wechselte dann in den Service und heiratete schnell einmal, um auch während der alltäglichen Hausarbeit immer wieder im Service auszuhelfen.

Wie hat es dich nach Luzern ins Doorzögli verschlagen?

In den 90er Jahren bin ich nach meiner häuslichen Trennung nach Kriens gezogen und konnte in Luzern das ehrwürdige, seit 1849 als «Cafe La Swiss» oder «Doorzögli» bekannte Restaurant mieten. Ich fing an, zum Gaudi der damaligen Stammgäste, die Küche einzurichten und Mittag- und Abendessen zu servieren. Mit dem Erfolg, dass Wetten abgeschlossen wurden wie lange es dauern würde bis die neue Wirtin den Hinterausgang nehmen würde. Wette verloren. Nach einem Jahr meckerten die Gleichen, dass sie nicht wie früher immer ihren freien Platz belegen konnten.

Man kennt dich aber auch als Wirtin der Fischerstube am Mühleplatz und der Sentimatt an der Baselstrasse?

Der damalige Besitzer fragte mich an ob ich Lust hätte auch noch die Fischerstube zu führen. Da ich mittlerweile genug Erfahrungen mit Beizengästen gesammelt hatte, sagte ich zu. Die ersten Monate waren kein reines Zuckerschlecken. Meine Art einzuschreiten, wenn sich Feuer im Dach ausbreitete, schien aber anzukommen und mein Spruch «liebet enand aber dänkt dra, dass er do ned deheime send» schaffte Ordnung in der Beiz. Nach einem halben Jahr wussten die meisten, dass «d’Margrit kei Lämpe doldet». Mit der Zeit wurden die Gäste immer weniger. Immer mehr ältere Stammgäste, die ihre Zeche bezahlen konnten, segnete das Zeitliche. In den fünf Jahren in ab und zu Fischerstube «betreute» sind 23 Stammgäste verstorben. Die Jüngeren, die ihren Platz einnahmen, hätten gern noch einen Fünflieber zu einem Gratisgetränk bestellt. Damit war die Fischerstuben-Episode zu Ende und es öffnete sich eine Neue. Damit ich mein Personal nicht entlassen musste nahm ich das Angebot die Sentimatt zu übernehmen wahr und zügelte mit Sack und Personal für vier Jahre an die Baselstrasse.

Das Doorzögli ist nicht nur bis über die Kantonsgrenzen hinaus bekannt für seine hervorragenden Cordon-Bleus, sondern auch weil sich hier Gäste aller Schichten begegnen. Hier gibt es keine Klassenunterschiede. Was motivierte dich auch die schwierigsten Gäste immer gleich zu behandeln?

Weil ich nie vergesse, dass es auch in meinem Leben Situationen gab, in denen ich jemand gebraucht habe, der mir wieder auf die Beine geholfen hat, wenn ich gestrauchelt bin. Darum habe ich auch nicht verkauftes Essen nie weggeworfen. Ich fand immer jemand der es schätzte, wenn er zu einem Gratisessen eingeladen wurde. Darum sind im Doorzögli alle Gäste willkommen, ob im feinen Zwirn oder in Jeans.

Das war nicht nur deinen Gästen bekannt, sondern auch dem damaligen Stapi, Urs W. Studer. Er hatte dich zu einer Feier eingeladen, bei der verdiente Personen, die für die Stadt etwas Gutes tun, geehrt wurden. Warum bist du dort nicht erschienen?

Als ich diese Einladung bekam habe ich mich überall über diesen Anlass erkundigt. Kein Mensch wusste etwas davon. So habe ich gedacht, dass mir hier jemand einen Streich spielen wollte, denn warum sollte mich der Stapi für etwas einladen das für mich selbstverständlich war. Leider falsch gedacht, das ärgert mich heute noch.

Das Doorzögli ist nicht nur eines der letzten Raucherlokale, sondern auch eines der letzten die einen Einlegerverein beherbergen. Was ist das?

Das ist wie ein kleines Sparschwein, das in Form einer grossen Geldkassette, mit 50 nummerierten Fächern, die seit 15 Jahren im Restaurant hängt. Die eingetragenen Mitglieder verpflichten sich einmal in der Woche das Restaurant zu besuchen und eine Einlage von mindestens zehn Franken einzuwerfen. Das so angesparte Geld wird am Ende des Jahres ausbezahlt und garantiert jedem der mitmacht ein schönes Weihnachtsgeschenk für sich oder, wenn er eine hat, für seine Holde. Wer eine Einlage verpasst, bezahlt fünf Franken Strafe. Diese Bussen werden für gemeinsame Treffen, Ausflüge oder für das Jahresabschlussessen verwendet. Also eine grossartige Win-Win Situation für den Gast und die Wirtin.

Nicht nur Raucher sind im Doorzögli willkommen, auch einige Hunde lassen sich gerne mit ihren Herrchen am Stammtisch «Vier Pfoten» nieder.

Ich habe in meinem Yorkshire-Terrier Gismo selbst einen treuen Freund, mit dem ich Reden oder auch Schimpfen kann. Der mir nie widerspricht und mich jeden Tag zum Spazieren zwingt. Das ist Grund genug auch den andern tierischen Begleitern meiner Gäste einen Platz zu reservieren. Es scheint sich in der Hundewelt herumgesprochen zu haben, dass hier nicht nur feine Cordon-Bleus, sondern auch Hundeleckerlis gereicht werden. So klein, dass Doorzögli auch ist, auch für eingefleischte Hundehaar- Allergiker wie den Meier Walter, findet sich immer ein Platz mit genügend Abstand.

Du scheinst nicht nur bei deinen Gästen beliebt zu sein, auch bei der Auswahl deines Personals scheinst du ein ausgesprochen gutes Händchen zu besitzen?

Das kann man sicher so sagen. Karin, Nikki, Doris und Maria gehören seit Jahren zum beliebten Stammpersonal. Der einzige Mann in meinem Team, unser Koch Rodrigo, hinkt mit seinen zwei Jahren ein bisschen hintennach, aber ich bin zuversichtlich, dass auch er noch einige Zeit bei uns bleiben wird. An dieser Stelle möchte ich es nicht verpassen meinem Personal und meiner Tochter Sandra meinen allergrössten Dank auszusprechen. Auch wenn ich manchmal «d’Chefin ha mösse usehänke» sind sie immer zu mir gestanden und haben immer ihr Bestes für «s’Doorzögli» gegeben. Ihnen gebührt mein allergrösster Dank. Ich bin überzeugt, dass wir zusammen in Luzern ein kleines, aber feines Refugium für alle geschaffen haben und hoffe, dass sie und meine Gäste auch Sandra weiterhin die Treue halten werden. Denn auch Sandra hält es wie ich es gehalten mit dem Doorzögli gehalten habe «Lieber klein und voll statt gross und leer»!

Margrit deine vielen Gäste und «marktindex.ch» gönnen dir deinen wohlverdienten Ruhestand. Wir würden freuen uns freuen mit dir ab und zu, in deinem Doorzögli, auf die vergangene, schöne Zeit anzustossen.

Doorzoegli, DoorzögliInterview und Fotos Heinz Steimann