Von Niederschlägen und Siegen der Schweizer Box-Legende Stefan Angehrn

Ein «Stehaufmännchen» im wahrsten Sinne des Wortes. Blauäugig, aber mit unbändigem Willen ausgestattet, kämpfte er sich durch den Dschungel der internationalen Boxszene zu zwei WM-Kämpfen gegen Ralf Rocchigiani, die er beide Male knapp nach Punkten verlor und zu seinem wohl wertvollsten Sieg gegen den Weltklasse Boxer Torsten May in Düsseldorf. Seine Träume von Reichtum und Anerkennung verpufften im Jahre 2000 als er die Boxhandschuhe an den Nagel hängte. Zurück blieb ein riesiger Schuldenberg, eine zerbrochene Ehe und die Erkenntnis das Schweizer Boxer in diesem Haifischbecken von Anfang an schlechte Karten haben. Doch Jammern steht einem Boxer nicht an. Mit Fleiss und der in vielen Boxkämpfen erworbenen Sturheit, kämpft er sich, an der Seite seiner Lebensgefährtin Bettina Pape, mit der gemeinsamen Firma «SWISS SHAPE», die Nahrungsergänzungsmittel vertreibt, zurück in den Ring des Lebens. «Mein Pech war, dass ich immer auf den einen grossen Kampf gewartet habe, der mich auf einen Schlag schuldenfrei gemacht hätte. Leider kam der aber nie.»

Was brachte dich dazu eine Sportart zu wählen bei der man in Gefahr läuft verdroschen zu werden und mit Schmerzen zu leben?

Wer im Spitzensport die Spitze erklimmen will muss körperliche Schmerzen ertragen können. Das ist nicht nur im Boxsport so. Aus eigener Erfahrung weiss ich das auch die letzten Meter eines 800 Meter Laufes höllisch an die Nieren gehen. Bei meiner Wahl zum Boxsport haben mehrere Faktoren zusammengespielt. Ich war damals überzeugt, dass mir mein sportliches Talent den Weg zu Erfolgen in fast jeder Sportart geöffnet hätte. Mit 14 Jahre war ich Thurgauer Meister im 800 m Lauf und im Hochsprung. Neben der Leichtathletik spielte ich Tennis und Tischtennis und erfolgreich Volleyball, damals meine Lieblings Sportart. Mein sportlicher Ehrgeiz zeigte mir aber schnell auf, dass ich kein absolut keine Begabung zu einem Teamplayer hatte. Tennis oder Boxen blieb übrig und auch hier spielte mein Ehrgeiz, schnell an die Spitze zu gelangen, eine wichtige Rolle. Im Boxsport sah ich den viel kürzeren Weg, als beim Tennis wo es hunderte von Siegen braucht, um nur in der Schweiz unter die Besten zu gelangen. Das war der eine Grund, der anderer ist eigentlich viel banaler. «E grossi Schnörre» war in meinen Jugendjahren mein Markenzeichen. Ich war damals sehr redegewandt und meinte ich könnte mit Worten alles erreichen. Es kam wie es kommen musste. Eine Gruppe von Typen, denen meine Art nicht passte, entschlossen sich mir das vorlaute Maul zu stopfen. Hilfe kam überraschend von einem eher kleinen, 65 Kilo schweren Schutzengel, der der mir zur Seite stand und kurzer Hand die zwei stärksten Angreifer packte und niederschlug, vorauf die Restlichen kleinlaut das Weite suchten. Da fiel bei mir der berühmte Groschen. In dem Augenblick wusste ich, dass Boxen meine Berufung werden sollte. In diesem Sport wollte ich Grosses erringen, und obwohl mein Vater, der lange Zeit in der Schweizer Box-Nationalmannschaft, im Schwergewicht boxte, versuchte mir diesen Sport auszureden, fing ich mit 17 Jahren an hart zu trainieren. Es dauerte aber dann doch noch über zwei Jahre bis ich mich traute in den Ring zu steigen, um mich zum erste Mal einem Ernstkampf zu stellen, den ich dann am 26. April 1985 souverän gewann. Auch die nächsten acht Begegnungen gingen auf mein Konto, bis ich zum ersten Mal verlor. Aber auch diese Niederlage hinderte mich nicht, unerschütterlich an mich und meinen boxerisches Können zu glauben, was mich dann später auch zum statistisch erfolgreichsten Schweizer Boxer der letzten 100 Jahre machte.

Hattest du nie Angst vor schweren Verletzungen?

Boxen ist nicht halb so wild wie es die Veranstalter verkaufen. Es ist ein spektakulärer Sport, wie die Formel 1, aber wie auch dort sind schwere Verletzungen äusserst selten. Boxen ist eine Auseinandersetzung mit dir. Der grösste Feind im Ring bist du selbst, nicht dein Gegner. In der Auseinandersetzung im Ring lernst du dich kennen. Hier kannst du an deinen Schwachstellen arbeiten. Hier musst du die Hosen fallen lassen, in den Spiegel schauen und ehrlich mit dir sein, denn im Ring hilft dir keiner. Für mich war das ein absolut grossartiger Weg das zu werden was ich heute als Mensch und Persönlichkeit bin. Ich bin dafür das in den Schulhäusern Boxsäcke aufgehängt würden, wo sich Schüler abreagieren könnten. Da könnten sie ihre körperlichen Grenzen kennenlernen und merken wann sie etwas für ihre Kondition und ihren Körper tun müssen. Boxen ist ein sehr spannender Sport, wenn man ihn auch von einer anderen Seite betrachtet. Nicht umsonst wird er auch als die edle Kunst des Faustfechtens betitelt die zur Förderung und Entwicklung der eigenen Identität und Persönlichkeit führen kann.

Hast du dich in deiner aktiven Zeit an Vorbilder orientiert?

Vorbilder brauchte ich keine. Boxen gab mir im Leben von Anfang an «es huere guets Gfühl». Da ich sehr ehrgeizig bin, versuchte ich immer meinen eigenen Weg zu gehen, auch wenn ich dabei ab und zu in Schieflage geriet. Als ich 1988 Schweizer Meister wurde, dachte ich eigentlich, das war es jetzt. Ich lernte meine erste Frau kennen und musste wie jeder Familienvater für den Unterhalt meiner kleinen Familie sorgen. Im gleichen Jahr sah ich aber im Fernsehen einen WM-Kampf zwischen dem amerikanischen Superstar Sugar Ray Leonard gegen den Kanadier Donny Lalonde, einem blonden Boxer, der aussah wie ich aber nicht besser boxte und für eine Niederlage drei Millionen kassierte. Das war die Initialzündung für mich weiter zu boxen und zu versuchen an einen solchen lukrativen Fight zu kommen. Viel Geld mit boxen zu verdienen war dazumal die Motivation mich in das Haifischbecken des professionellen Boxsports zu werfen. Was daraus geworden ist konnte man des Langen und des Breiten in den Medien erfahren.

Du hast gegen zwei grosse Boxlegenden gekämpft. Zweimal gegen Box-Weltmeister Ralf Rocchigiani und einmal gegen Olympiasieger Thorsten May. Wie war das?

Den Fight gegen Rocchigiani hatte ich mit frechen Telefonaten mit den deutschen Manager selbst organisiert, sonst wäre ich nie zu diesen Kämpfen gekommen. Ich musste mit einer luxemburgischen Lizenz antreten, da mich der Schweizer Verband, mangels einer Bewilligung, nicht kämpfen lassen wollte. Nach dem ersten Kampf musste ich eingestehen, dass ich sehr froh war einigermassen mittgehalten zu haben. Ich glaube man hätte mit einer Wette das ich in der dritten Runde noch nicht auf den Brettern liege, viel Geld gewonnen. Beim Rückkampf in Zürich hätte ich allerdings ein Unentschieden oder sogar den Sieg verdient. Dafür erhielt ich die Gelegenheit drei Jahre im berühmten Hamburger Boxstall «Universum», mit Weltklasseboxern wie die Klitschko Brüder oder unter Trainer Legende Fritz Sdunek zu trainieren. Dort ist auch die Idee eines Kampfes gegen den 1,96-Meter-Hünen Torsten May entstanden, gegen diesen Felsen habe ich nur geboxt, weil die Organisatoren mich mit einer lukrativen Gage gelockt haben, die mich zum ersten Mal in meinem Boxerleben schuldenfrei gemacht hatte. Nur mit viel Ehrgeiz und einem Plan im Kopf hatte ich bis zur vierten Runde, ausser einer einem geschwollenen Auge, nichts Zählbares eingefahren. Eine Bemerkung des Ringrichters an May «Hau ihm aufs Auge» brachte die Wende. Voller Wut erwischte ich ihn mitten ihm Gesicht. May zeigte Respekt und übergab mir, nach weiteren harten Kopftreffern, in der neunten Runde entnervt, mit den Worten «Stef ich geb auf», den grössten Sieg meiner Boxkarriere.

Nach einer erfolgreichen Boxkarriere titelten die Medien: Angehrns grösster Kampf – gegen seine Schulden. Wie stehts heute, KO oder Punktesieg?

Ein Punktsieg trifft es gut. Das Boxerleben hat mir 430’000 Franken Schulden eingebracht, die nach meiner Weigerung Pleite zu machen, schnell einmal mit Gebühren und Honorare für Anwälte, sich auf fast das doppelte angehäuft hatten. Heute kann ich mit Stolz sagen, ich habe es fast geschafft mich von meinem, zum grössten Teil, selbstverschuldeten KO zu erholen. Bis auf ein paar wenige Ausstände, an denen ich immer noch arbeite, stehe ich wieder mit beiden Beinen im Ring.

Heute vertreibst du mit deiner Lebenspartnerin, Bettina Pape, mit viel Erfolg, Nahrungsergänzungsprodukte der Marke «SWISS SHAPE», dass auch ein GESUND-Fit-Schlank-System beinhaltet. Ist das der Grund für deinen Formel 1-Körper?

Eigentlich geht es nicht nur um ein Schlankheitsmittel. Ich habe immer etwas gesucht das mir gestattet etwas Sinnvolles zu tun und gleichzeitig etwas zu verdienen. Das haben wir mit den Produkten unserer heutigen Partner-Firma Unicity International, mit Europa-Zentrale in Zug, geschafft. Der Konzern, der diese Produkte liefert, besteht sei 1903 und ist einer der ersten, der in Amerika Naturheilmittel herstellt. Da steckt so viel Erfahrung und Wissenschaft dahinter die uns und hunderte Kunden überzeugten. Das Unicity -Mutterhaus zahlt, wie jede andere Firma, in Zug ihre Steuern und hat alle geforderten Produktezulassungen erfüllt. 2012 haben Bettina und ich unserer Idee den Namen SWISS SHAPE gegeben. Seither haben wir weit über 100’000 Monatspakete verkauft und sind überzeugt, dass es allen unseren Kunden gesundheitlich besser geht. SWISS SHAPE ist für mich eine geniale Kombination aus «Geld verdienen» und «Menschen helfen».

Text und Bilder: Heinz Steimann