Ein Feiertag zwischen zukunftweisenden Parolen und mutwilligem Vandalismus

Beim „Ersten Mai“ denken viele an vermummte Chaoten, die randalierend durch die Städte ziehen und sich Strassenschlachten mit behelmten Polizisten liefern. Der „Erste Mai“, auch bekannt als „Tag der Arbeit“ oder „Tag der Arbeiterbewegung“, hat in seiner 130-jährigen Geschichten immer wieder Gewalt, Verletzte und Tote hervorgebracht. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass wir den Protesten rund um den ersten Mai auch viele Vorteile in der Arbeitswelt zu verdanken haben.

Haymarket Riot – der Kampf der Arbeiterbewegung beginnt blutig

„Man kann nicht ewig wie ein Stück Vieh leben.“
(August Spies, Journalist und Sprecher der US-Amerikanischen Arbeiterbewegung)

Am 1. Mai 1886 organisierten die Gewerkschaften der USA einen mehrtätigen Streik um die Reduktion der täglichen Arbeitszeit von zwölf auf acht Stunden herabzusetzen. In der Folge demonstrierten in den USA bis zu eine halben Million Menschen, wovon der grösste Streik in Chicago abgehalten wurde: Dort legten zirka 90’000 ihre Arbeit nieder.

Auf dem Haymarket, einem grossen Platz in der Stadt, versammelten sich die Arbeiter und lauschten anarchistische Reden und verbreiteten ihre Parolen zur Verbesserung ihrer teils katastrophalen Arbeitsbedingungen. Obwohl die Versammlungen und Streiks friedlich verliefen, war die Polizei auf Grund der grossen Menschenmassen angespannt und probierte einzelne Versammlungen mit Gewalt aufzulösen. Dies gipfelte am 3. Mai in sechs erschossenen Arbeitern und vielen Verletzten.

Die Bombe explodiert und das Massaker geht los

Am 4. Mai eskalierte die Lage, die als Haymarket Riot (zu dt: Aufstand/Tumult), Haymarket Affair oder Haymarket Massacre in die Geschichte einging: Während einer anarchistischen Streit-Rede auf dem Haymarket explodierte eine Bombe, die zwölf Personen, darunter viele Polizisten, sofort tötete und mehrere Personen verletzte. Die Polizei eröffnete daraufhin das Feuer und tötet und verletzte eine unbekannte Anzahl an Personen.

Obwohl nicht herausgefunden werden konnte, wer die Bombe geworfen hatte, fand das Gesetz schnell die Sündenböcke: Acht Anarchisten(darunter August Spies), die die Kundgebung organisiert hatten und als Rädelsführer des Streikes galten, wurden festgenommen und zu Tode verurteilt. Die triviale Begründung: Der Bombenwerfer habe wohl im Sinne ihrer anarchistischen Propaganda gehandelt und somit seien die Verurteilten ebenso schuldig, wie wenn sie die Bombe selbst geworfen hätten.

Arbeiter, am 1. Mai sollt ihr kämpfen!

Zum Gedenken an die zahlreichen Opfer des Haymarket Riot wurde der Erste Mai fortan als „Kampftag der Arbeiterbewegung“ ausgerufen. Am 1. Mai 1890 wurde dieser Tag mit vielen Massenstreiks und Massendemonstrationen in der ganzen Welt erstmals begangen. Und bis in die heutige Zeit weisen die Arbeiter an diesem Tag lautstark auf ihre Missstände hin. Vielfach mit Erfolg: So wurde zum Beispiel die Forderung nach unserer AHV zum ersten Mal während Demonstrationen rund um den ersten Mai laut.

Vom Kampftag zum Feiertag

Am 1. Mai wird aber nicht nur gefordert und gekämpft, sondern auch gefeiert: So ist dieser Tag in vielen Staaten, unter anderem in Deutschland, Liechtenstein, Österreich und Belgien, ein gesetzlicher Feiertag. In der Schweiz ist es nur ein regionaler Feiertag. Wieso? Auf Grund der katholischen Tradition der Region hat in Luzern die politische Linke nie das Gewicht erreicht wie in den protestantischen Regionen wie Zürich oder Basel. Ausserdem war die Innerschweiz schon immer von der Landwirtschaft geprägt und hinkte daher in der Industrialisierung dem Rest der Schweiz lange Zeit hinterher. Das ist der Grund, weshalb der 1. Mai nicht überall als Kampftag und somit auch nicht als Feiertag begangen wird.