Passion für das Wetter – Jörg Kachelmann im Fokus

Heinz Steimann von marktindex.ch hat den Wetterexperten persönlich getroffen. Entstanden ist ein interessantes Mittagsgespräch über den Menschen Jörg Kachelmann, Moderator, Sachbuchautor, Journalist und Unternehmer mit Schwerpunkt Meteorologie.

«Es schiffed morn!»

Wie alles begann …

Meine Passion zum Wetter hat schon früh angefangen. Meine Eltern besassen kein Auto, sondern ein kleines Segelboot mit dem wir jede freie Minute auf dem Bodensee verbracht haben. Das waren für einen 10-jährigen nicht immer mit den spannendsten Erlebnissen verbunden. Spannend für mich wurde es eigentlich nur dann, wenn Gewitter aufzogen und das Wetter verrücktspielte. Da meine Eltern das nötige Kleingeld für einen Ankerplatz im Hafen nicht aufbringen wollten, blieb uns nur das Ankern in Ufernähe. Meistens löste sich aber im Sturm der Anker, der Motor machte auch nicht immer mit und so blieb uns nur noch das Beten und die Hoffnung nicht am Ufer zu zerschellen. Das waren aber für mich genau die Erlebnisse die mich, quasi aus der Not, dazu brachten die verschiedenen Wetterlagen zu beobachten, die Werte am kleinen Wandbarometer abzulesen und aufzuschreiben. Ein kleines Radio, mit einem erweiterten Frequenzspektrum, auf dem man die Wetterberichte vom Flughafen Zürich hören konnte, war stets mein Begleiter. Es informierte mich alle halbe Stunde was in der Nähe der Flughäfen Zürich, Basel und Genf wettermässig los war. Wenn ich hörte das in Zürich oder Basel ein Gewitter tobte, konnte ich mit der Zeit ausrechnen was das in Kürze für das Gebiet um den Bodensee bedeuten könnte. Da sind die Gründe zu suchen die in mir den Entschluss förderte ein bedeutender Meteorologe zu werden.

Da mich meine Eltern in meiner Studienzeit nicht gross unterstützen konnten, teilte ich mir die Studienjahre in einen Studier- und einen Arbeitsteil auf. Als Verkäufer mit weisser Schürze in der Abteilung Elektronik der Migros für immerhin ca. 13 Franken und mit einem gelben Töffli teilte ich am Samstag in Erlenbach am Zürichsee die Post aus. Allerdings nicht immer mit Freude, denn die gutbetuchten Kunden hatten es nicht gern, wenn ihre NZZ 15 Minuten später als üblich eingeworfen wurde. Ich hatte das Glück den Sohn eines reichen Herrlibergers vom freien Gymnasium in Zürich zum Mittagessen abzuholen und am Nachmittag mit ihm zu lernen. Dieser Job ermöglichte mir, mit 25 Jahren, mein erstes Auto zu finanzieren und eine kleine Wohnung zu mieten Es war der wunderbarste Studentenjob den man sich vorstellen konnte. Leider hatte er aber auch seine Tücken. Da die Eltern des Jungen selten zu Hause waren, wurde ich eine enge Bezugsperson für den Jungen. Da kam es ab und zu vor, dass er den Eltern widdersprach. «Herr Kachelmann hat gesagt», war nicht das, was seine reichen Eltern immer wieder hören wollten. Gleich am Anfang hatte ich Kassetten mit Hitlerreden aus dem Kinderzimmer entfernt, die der Vater wohl als Erweckungserlebnis für seinen Sohn geeignet sah. In der Summe war dann beizeiten das Ende des lukrativen Studentenjobs gekommen. Dies tat zwar weh, aber ich brachte es nicht übers Herz, auch nicht für «de grossi Stotz» dem Jungen zu sagen, dass diese Reden das Richtige für ihn seien.

Irgendwann kam dann die Anfrage vom Sonntagsblick die jemand suchten, der wie damals die auflagenstärkste Zeitung, USA Today, eine ganze Seite über das Thema Wetter füllen konnte. Ich durfte ein Konzept erarbeiten, dass ich für 1300 Franken anbot. Ein absoluter «Wow» Betrag für mich der mir aber, zu meiner grossen Überraschung, anstandslos überwiesen wurde. Ab da führte mich mein Weg jeden Samstag zur Meteorologischen Zentralanstalt, wo ich die verschiedenen Wetterkarten studierte und die Wetterseite im Sonntagsblick füllte. Mit der Erfahrung träumte ich davon einmal Beamter bei der Meteorologischen Zentralanstalt zu werden. Aber als ich sah, dass meine zukünftigen Kollegen Strichlisten auf dem Pult hatten, die anzeigten wie lange es noch bis zur Pensionierung geht und ihr Humor auch nicht mein Humor war, platzte mein Traum. Da kam mir die Arbeit, der Humor, Ironie, Sarkasmus und die Berufsauffassung der Kollegen im Sonntagsblick schon mehr entgegen.

Ich begann meine reine Wettertätigkeit auf alles was mit der Natur zu tun hatte, auszuweiten. Themen wie Waldsterben oder die Umweltkatastrophe in Tschernobyl sind mir noch gut in Erinnerung. Da beim «Sobli» keiner da war der über diese Themen gut Bescheid wusste, konnte ich, mit meiner Ausbildung in Mathematik, Physik und Geologie, in dieses Vakuum einsteigen und der Zeitung helfen, wann immer es um naturwissenschaftliche Themen ging. Es waren goldene Zeiten. Die Goldgräberstimmung des Journalismus der 80er Jahre und ich hatte den schönsten Job der Welt. Jeden Mittag traf man sich im Dütti (Du Theater Zürich) und trank zum Mittagessen eine Flasche Epesses, die uns beschwingte Nachmittage bescherte. In diesem Umfeld gärte auch die Idee eines Kollegen und mir in Sedrun ein halbes Haus, als Feriendomizil, zu kaufen. Als der Kollege den Kauf nüchtern betrachtete, zog er sich zurück. Ich habe versucht meinem Hausteil einen Sinn zu geben. Habe meinen Job gekündigt und wollte in den Bergen mein Studium fertigmachen, zügelte die ca. drei Meter hohen Studienunterlagen nach Sedrun, wo ich sie in den nächsten anderthalb Jahren nie angerührt, verschwiegen noch gelesen habe. Trotzdem war die Zeit in Sedrun eine sehr kreative und vor allem eine entscheidende Zeit für meine Zukunft. Während meines Aufenthaltes in Sedrun habe ich bemerkt, dass die Luft voll von Wetterkarten auf den Lang- und Kurzwellen war. Mit den riesigen Antennen die ich montiert hatte, empfing ich alle Daten die ich brauchte um selber Wettervorhersagen zu machen. Ab da konnte ich mir die lästigen Fahrten, jeden Samstag nach Zürich zur Meteorologischen Zentralanstalt, ersparen. Das war die Basis zur Firmengründung meiner Wetterfirma Meteomedia.

Ich kaufte ein altes Bauernhaus in Bächli im Kanton St. Gallen und baute dieses zu einer modernen Wetterstation um. Die Meteomedia nahm dort 1990 ihren Anfang. Das besondere an meiner Moderation war eigentlich nur die Art wie ich gesprochen habe. Mein Vater war «Isebähnler». Wenn es stark regnete hat er nicht gesagt es «schifft», sondern er sagte «es seicht». So habe ich es auch gehalten. Ich wäre nie auf die Idee gekommen Sätze zu sagen, die nicht für die Zuschauer bestimmt waren. Temperaturrückgang war bei mir «es werd uhuere chalt» und es regnet Morgen zu «es schiffed morn». Was zu einem kleinen Skandal im Schweizer Fernsehen führte, als es dort zum ersten Mal schiffte. Die Fernseharbeit wurde und wird sowieso völlig überschätzt. Dass ich meine Firma zu einem internationalen Konzern mit 130 Leuten ausgebaut habe scheint weniger zu zählen. Obwohl das für mich der viel grössere Erfolg war. Wenn man in einem geheizten Studio zwei Minuten «wichtig daherschnorret», meist abgelesen oder auswendiggelernt, ist das nicht die grosse Leistung für die sie allgemein gehalten wird. Lustig ist, dass ich noch heute «Wettermoderator» oder noch lustiger der ex- Wettermoderator bin. Das zeigt doch die birnenweiche Überschätzung des Fernsehens, als wenn es da nicht noch viel Wichtigeres gäbe.

Herr Kachelmann gestatten Sie mir doch noch drei Fragen zum Schluss. Was machen Sie heute?

Ich bin immer noch Unternehmer mit fünf Firmen die sich mit dem Wetter beschäftigen. Drei in der Schweiz, eine in Australien und eine in den USA.

Sind Ihre Voraussagen mit Hilfe der modernsten Techniken sicherer geworden?

Früher sagte man, Alpennordseite Wallis und Nord- und Mittelbünden teilweise sonnig am Nachmittag einzelne Schauer und Gewitter. Da dachte man noch vielleicht kommt es, vielleicht aber auch nicht. In den Zeiten des Internets hat sich um das Wetter viel Aberglauben entwickelt, der von den unzähligen Gratis- Apps gefördert wird. Wettervorhersagen über 14 oder 16 Tage mit einfach einem Wettersymbol und einer Temperatur sind Schwachsinn, auch wenn sowas angeboten wird. Was man seriös machen kann, zeigen wir Ihnen bei unseren Vorhersagen XL auf kachelmannwetter.com, wo wir bis zu 10 verschiedene Computermodelle miteinander vergleichen. Alle Linien zusammen: Sicherheit, dass es so kommt. Kraut und Rüben: Vergessen Sies.

Was empfehlen Sie als Meteorologe dem Veranstalter eines grossen Open-Airs mit vielen Zuschauern?

Dass bei kritischen Wetterprognosen auf jeden Fall ein Meteorologe vor Ort sein sollte um das Risiko auf null zu drücken, dass Menschen gefährdet werden könnten. Auch bei starken, plötzlichen Gewittern kann ein Meteorologe vor Ort mindestens 15 – 30 Minuten Zeit ermöglichen um eine eventuell Evakuation zu veranlassen. Aber das kostet halt mal 1000 Franken von denen sich die Meisten Veranstalter drücken und meinen «es chond scho guet».

Interview und Bilder: Heinz Steimann

 

Herr Kachelmann ich danke Ihnen für das interessante Gespräch und wünsche Ihnen noch viel Glück für Ihre neuen Projekte. Ich werde die App «kachelmannwetter.com» auf jeden Fall nutzen.