Design for all: Das natürliche Leitsystem für Sehbehinderte

Zum Internationalen Tag des Weissen Stocks hat sich der Schweizerische Blindenbund dieses Jahr einem wichtigen Aspekt  im Leben von blinden oder stark sehbehinderten Menschen angenommen – dem «Design for all», einem intuitiven und standardisierten Leitsystem durch den öffentlichen Raum.

Jeweils am 15. Oktober jedes Jahres begehen Blindenverbände auf der ganzen Welt den Tag des Weissen Stocks und sensibilisieren die Öffentlichkeit mit Aktionen und Kampagnen für die Bedürfnisse, Ansprüche und Wünsche von blinden und sehbehinderten Menschen. Der weisse Langstock gilt seit den 1930er-Jahren als Schutz- und Erkennungszeichen von Betroffenen und dient als verlängerter Zeigefinger, über den diese taktile Information aufnehmen. Sicher haben auch Sie im Alltag bereits Personen beobachtet, die sich mithilfe des Stocks gekonnt und sicher durch den Alltag bewegen. Doch wie orientieren sich diese Menschen?

Bauliche Elemente als Orientierungshilfe

Hier kommt das «Design for all» ins Spiel, mit dem sich der Schweizerische Blindenbund zum Tag des Weissen Stocks befasst: Das bedeutet, dass bauliche Elemente wie Trottoir-Randabschlüsse, Belagswechsel, Wasserrinnen oder Pfosten absichtlich in die Architektur eines öffentlichen Platzes, Gebäudes oder Verkehrsweges integriert werden und so blinden und sehbehinderten Menschen als natürliches Leitsystem dienen. Es sind immer einfache, eindeutige, intuitiv erkennbare sowie standardisierte Lösungen, welche nicht nur für sehbehinderte und blinde Personen, sondern auch für Sehende eine gute Orientierung bieten. Achten Sie sich in Zukunft auf folgende sieben gestalterische Orientierungselemente – so wird das beinahe unsichtbare Leitsystem «Design for all» auch für Sie sichtbar.

1. Trottoirkanten, Grünstreifen und Wasserrinnen als Trenner

Elemente der Wegführung sind zentral und müssen eindeutig erkenn- und ertastbar sein. In Fussgänger- oder Begegnungszonen erkennen Sehbehinderte zum Beispiel die Trennung von sicheren Fussgängerzonen zu Verkehrsflächen durch ertastbare Absätze, Grünstreifen, hohe Randabschlüsse oder Wasserrinnen.

2. Oberflächenbeläge als Führungselemente

Auch Führungselemente wie Belagswechsel und Belagsbänder können Blinde mit der Kugel an der Spitze des weissen Stocks ertasten. Zudem können Betroffene mit minimalem Sehrest oft noch Kontraste erkennen und sich zum Beispiel anhand des Wechsels von hellen Naturstein-Elementen auf Asphaltflächen orientieren.

3. Bauliche Elemente an Haltestellen

An Bus-, Postauto- und Tramhaltestellen markieren taktil und visuell erkennbare Orientierungshilfen die Einstiegspositionen für Sehbehinderte. Zusätzlich wird hier nach dem Zwei-Sinne-Prinzip informiert – also nicht nur visuell, sondern auch akustisch oder taktil mit Reliefsymbolen.

4. Bauliche Elemente an Bahnhöfen

Zur Kennzeichnung von Perrons und der lückenlosen Führungskette sind Markierungen in Bahnhöfen besonders wichtig. Sicherheitslinien entlang der Gleise, Kennzeichnungen wie «Perronende» und Aufmerksamkeitsfelder «Betreten/Verlassen Perronbereich» sind taktil-visuell angebracht. Dazu gehört auch die taktil- visuelle Wegführung ausserhalb des Perronbereiches sowie die Markierung von Treppen und Stufen in Publikumsbereichen.

5. Visuelle Kontraste erhöhen die Sicherheit

Bei Treppenabsätzen und Geländeabstufungen erhöht eine kontrastreiche Treppen- und Stufenmarkierung in den Farben weiss oder gelb die Sicherheit aller Nutzenden. Auch bei Strassenübergängen mit Ampeln arbeiten die Städteplanenden mit Kontrasten: Der gelbe Ampeldrücker und die taktil-visuelle Markierung erleichtern die Bedienung. Auf Glasflächen muss rund 1.5 Meter über dem Boden mit nicht transparenten Markierungen aufmerksam gemacht werden, denn wer möchte schon gerne gegen eine Scheibe laufen?

6. Reliefbeschriftungen und Piktogramme als Orientierungshilfe

Fahrstühle, Räume, Toiletten und Etagen sind ganz im Sinne von «Design for all» zusätzlich mit Reliefbeschriftung und/oder ertastbaren Piktogrammen versehen. Längere Bezeichnungen und Textinformationen werden mittels Braille-Schrift übermittelt.

7. Taktil-visuelle Leitlinien

Überall dort, wo die Orientierung mit dem weissen Stock durch die baulichen Elemente nicht gewährleistet ist, werden taktil-visuelle Leitlinien eingesetzt. Dies zum Beispiel immer an Haltestellen, Lichtsignalen oder an Querungen.

Möchten Sie mehr über dieses Thema erfahren, sich über das Engagement des Schweizerischen Blindenbunds informieren oder suchen Sie als betroffene Person Unterstützung? Besuchen Sie die Website des Vereins oder rufen Sie an – die Mitarbeitenden von der Geschäftsstelle Zürich freuen sich auf Ihre Kontaktaufnahme.