Solarenergie: Auf dem Weg zur zentralen Stütze unserer Energieversorgung
Auf unseren Gebäuden könnte mehr Strom produziert werden als wir heute verbrauchen. Mit einem beschleunigten Zubau von Photovoltaikanlagen kann der entscheidende Beitrag zu einer fossil- und atomfreien Energieversorgung in der Schweiz mit erhöhter Wertschöpfung im eigenen Land geleistet werden. Für viele Anwendungsbereiche der Solarenergie sind die Rahmenbedingungen bereits heute attraktiv, bei anderen liegt der Ball zurzeit bei der Politik.
Unsere Energieversorgung steht vor einem gewaltigen Umbruch: Einerseits kommen die bestehenden Atomkraftwerke ans Ende ihrer Lebensdauer, wahrscheinlich vor 2040, und dürfen gemäss Abstimmungsbeschluss vom Mai 2017 nicht mehr ersetzt werden. Damit fällt ein Drittel unserer Stromproduktion weg. Andererseits gilt es, die Verpflichtungen der Schweiz gemäss Pariser Klimaabkommen umzusetzen. Dies bedeutet einen Verzicht auf fossile Energien bis spätestens 2050.
Fossilfreie Mobilität und Heizungen im Fokus
Mobilität (ohne Flüge) und Heizungen verursachen mehr als die Hälfte unserer Treibhausgasemissionen, und hier sind auch die Lösungen besonders einfach umsetzbar: Elektrische Antriebe sind bereits jetzt auf dem Vormarsch, und Wärmepumpen setzen sich immer mehr als Standard-Heizsysteme in Alt- und Neubauten durch. Doch dies führt zu einem steigenden Stromverbrauch – in den Energieperspektiven 2050+ des Bundesrats wird für 2050 mit einem Stromverbrauch von 80 Terawattstunden (TWh, entspricht 80 Milliarden Kilowattstunden) gerechnet, 20 TWh mehr als heute.
Gesucht: 45 Terawattstunden Strom aus erneuerbaren Energien
Unter dem Strich brauchen wir also jährlich rund 45 zusätzliche Terawattstunden aus erneuerbaren Energien. Zum Vergleich: Die im grössten Stausee der Schweiz (Grande Dixence) gespeicherte Energie entspricht einer Energiemenge von 1 TWh. Denkbar wäre der zusätzliche Import von Strom, beispielsweise aus Windkraftwerken in der Nordsee oder aus Solarkraftwerken in der Mittelmeerregion. Das fehlende Stromabkommen mit der EU sowie der Ersatzbedarf für Kohle- und Atomkraftwerke in unseren Nachbarländern sprechen jedoch gegen eine verstärke Importabhängigkeit.
Der zusätzliche Bedarf sollte deshalb primär durch Mehrproduktion im Inland gedeckt werden. Es gibt ein beschränktes Potenzial für zusätzliche Wasserkraftnutzung, etwa durch die Erhöhung von Stauseen oder durch neue Staudämme in Gebieten, aus denen sich die Gletscher zurückgezogen haben. Auch die Windenergie hat ein beachtliches Potenzial, allerdings kommt ihr Ausbau wegen Widerstand der Anwohner kaum voran. Mit Biomassekraftwerken lässt sich genau dann Strom produzieren, wenn er gebraucht wird, aber das Potenzial ist klein. Und Geothermie-Stromprojekte sind bisher alle gescheitert. Das weitaus grösste Potenzial liegt bei der Photovoltaik: Gemäss einer Untersuchung des Bundesamtes für Energie könnten allein auf den dafür besonders geeigneten Dach- und Fassadenflächen jährlich 67 TWh Solarstrom produziert werden, also 10 Prozent mehr als der heutige Stromverbrauch. Weitere grosse Potenziale gibt es auf Infrastrukturen wie Parkplatz- und Autobahnüberdachungen oder Lärmschutzwänden. Fazit: Der grösste Teil unseres zusätzlichen Strombedarfs wird aus Photovoltaikanlagen stammen, womit Solarstrom neben der Wasserkraft zum zweiten Standbein unserer Energieversorgung wird.
Der Weg zu 15-mal mehr Solarstrom
Im Jahr 2020 lag die Solarstromproduktion bei 2.6 TWh (siehe Statistik Sonnenenergie). Stand Mitte 2021 dürfte der Anteil am Jahresverbrauch bei 5 Prozent liegen. Wir brauchen also rund 15-mal mehr Solarstrom, um die Klima- und Energieziele unseres Landes zu erreichen, ohne stärker von Importen abhängig zu werden. Der jährliche Zubau von Photovoltaikanlagen muss deshalb deutlich gesteigert werden (siehe auch Swissolar-Roadmap). Aktuell liegt er bei rund 500 Megawatt pro Jahr, was pro Kopf etwa einer Fläche von 0.3 Quadratmetern entspricht. Es müsste dreimal mehr gebaut werden, also 1 Quadratmeter pro Bewohner und Jahr. Wie bereits erwähnt ist der Platz dafür vorhanden. Weshalb geht es denn nicht schneller voran?
Verlässliche Rahmenbedingungen schaffen
Solarstrom ist zwar im Verlauf der letzten 10 Jahre um rund 80 Prozent billiger geworden und kostet meist weniger als Strom von der Steckdose. Allerdings stimmen Produktion und Verbrauch nicht immer überein – ein Teil des selbst produzierten Solarstroms muss an den Energieversorger abgegeben werden, der in vielen Fällen einen wenig vorteilhaften Preis dafür bezahlt (eine Übersicht der unterschiedlichen Rückliefertarife findet sich unter www.pvtarif.ch). Massgeblich ist somit die sogenannte Eigenverbrauchsquote, also der Anteil des Solarstroms, der zeitgleich verbraucht werden kann. Mit einer Batterie kann dieser Anteil erhöht werden, was aber wirtschaftlich gesehen aktuell nicht besonders interessant ist.
Schweizweit gibt es die sogenannte Einmalvergütung als Förderinstrument, die bei Pronovo zu beantragen ist. Sie deckt je nach Grösse der Anlage rund 25 Prozent der Investitionskosten und wird nach Fertigstellung der Photovoltaikanlage ausbezahlt. Anlagen mit einer massgeblichen Eigenverbrauchsquote können damit wirtschaftlich betrieben werden, mit einer typischen Amortisationszeit von 10 bis 15 Jahren (dies bei einer Lebensdauer von über 25 Jahren). Schwieriger ist hingegen der Betrieb von Anlagen mit geringem oder gar keinem Eigenverbrauch. Dies wurde von der Politik erkannt, und die eidgenössischen Räte diskutieren zurzeit eine Anpassung der Förderung für solche Anlagen, was aber erst ab 2023 Auswirkungen haben dürfte.
Eigenverbrauch erhöhen
Bauherrschaften können aber auch ihren Eigenverbrauch erhöhen. Naheliegend ist insbesondere der optimierte Betrieb einer Wärmepumpe. Die Steuerung sorgt dafür, dass sie dann läuft, wenn die Sonne scheint. In vielen Fällen braucht es dazu einen Zwischenspeicher, sodass die Wärme am Abend zur Verfügung steht. Auch die Elektromobilität eignet sich bestens zur Erhöhung des Eigenverbrauchs. Wer jetzt ein Solardach plant, sollte berücksichtigen, dass er in wenigen Jahren Strom für sein Auto braucht.
Auch «Zusammenschlüsse zum Eigenverbrauch» (ZEV) sind ein bewährter Weg zur Erhöhung des Eigenverbrauchs. Hierbei schliessen sich mehrere Wohnungen in einem Gebäude oder auch mehrere Gebäude auf aneinandergrenzenden Grundstücken zusammen und treten gegenüber dem Energieversorger als ein einziger Kunde auf. Sie nutzen gemeinsam den Strom aus der eigenen Solaranlage. Messung und Abrechnung erfolgt intern, wobei bei der Beteiligung von Mieterinnen und Mietern die entsprechenden Vorgaben zu berücksichtigen sind. Mehr dazu im «Leitfaden Eigenverbrauch».
«Die Solarprofis®»: Qualitätswegweiser für Bauherrschaften
Eine sorgfältige Prüfung der Angebote lohnt sich, wenn man eine Solaranlage installieren möchte. Schliesslich soll sie während mehr als 25 Jahren mit nur minimen Unterhaltskosten betrieben werden. Swissolar führ ein Verzeichnis von geprüften und qualifizierten Anbietern aus den Bereichen Installation, Planung und Herstellung. Inhaber des Labels «Die Solarprofis®» bilden sich regelmässig weiter und müssen alle 3 Jahre eine Selbstdeklaration unterzeichnen. Im Verzeichnis www.solarprofis.ch ist eine Suche nach geographischen und fachlichen Kriterien möglich.
Selbst einsteigen ins Solargeschäft
Die Solarbranche ist in einer starken Wachstumsphase, die Auftragsbücher sind voll. Und die Aufgaben werden immer vielfältiger, insbesondere bei der Kombination von Solarenergie mit Wärmepumpen und E-Mobilität im Smart Home. Swissolar rechnet in den nächsten Jahren mit einer Verdreifachung der Anzahl Arbeitskräfte – so schaffen wir Wertschöpfung im eigenen Land, statt wie bisher jährlich rund 8 Milliarden Franken für Energieimporte auszugeben.
Für Fachleute aus den Bereichen Gebäudetechnik und Gebäudehülle, die ins Geschäft einsteigen wollen, eignet sich der halbjährige Lehrgang Projektleiter/-in Solarmontage mit eidg. Fachausweis. Swissolar bietet zudem eine ganze Reihe von halb- bis mehrtägigen Weiterbildungskursen an. Für Bildungsanbieter betreut der Verband zudem eine breite Sammlung von Bildungsunterlagen «Solar Bildung Schweiz» über sämtliche Themen rund um Photovoltaik an.
Sichere Energieversorgung – auch im Winter?
Im Schweizer Durchschnitt produziert eine Solaranlage 30 Prozent ihres Ertrags im Winterhalbjahr. Bei Fassadenanlagen kann es sogar die Hälfte sein. Ein rascher Ausbau der Photovoltaik trägt somit auch zur Winterstromversorgung bei. Die sommerlichen Produktionsüberschüsse dienen einerseits dazu, dass das Wasser in den Stauseen noch später im Jahr zur Verfügung steht, andererseits können sie zur Herstellung von Wasserstoff verwendet werden, der wiederum für verschiedenste Zwecke eingesetzt werden kann.
Wie ökologisch ist Solarenergie?
Die Herstellung von Solarmodulen erfordert Energie, aber dank verbesserter Verfahren und steigender Wirkungsgrade immer weniger. Bereits nach 1.5 bis 2 Betriebsjahren ist die Energie gewonnen, die zur Herstellung erforderlich war. Fast alle in der Schweiz verbauten Module enthalten Siliziumzellen und somit keine gefährlichen oder seltenen Materialien. Hersteller und Importeure der Module bezahlen auf freiwilliger Basis eine vorgezogene Recyclinggebühr, sodass deren Verwertung nach Ende der Lebensdauer finanziell gesichert ist.
Swissolar vertritt als Branchenverband die Interessen von 800 Verbandsmitgliedern mit rund 7‘000 Arbeitsplätzen der Schweizer Solarenergiebranche in der Öffentlichkeit, der Politik und gegenüber den regulierenden Behörden. Swissolar setzt sich für die Energiewende hin zu einer Energieversorgung ohne den Einsatz fossiler oder nuklearer Energieträger ein. Der Verband wird seit Juni 2020 vom grünliberalen Nationalrat Jürg Grossen (BE) präsidiert, als Nachfolger von SP-Nationalrat Roger Nordmann (VD). Langjähriger Geschäftsleiter und Autor dieses Beitrags ist David Stickelberger.